Digitalisierung gefährdet bis zu 100’000 KV-Jobs

Der beliebteste Beruf in der Schweiz ist bedroht. Schreiben, Statistiken erstellen, Buchhaltung führen, das sind typische Tätigkeiten von Kaufmännern und Kauffrauen – mehr und mehr werden sie von Computern erledigt.24-11-2016 / Blick

Der beliebteste Beruf in der Schweiz ist bedroht. Schreiben, Statistiken erstellen, Buchhaltung führen, das sind typische Tätigkeiten von Kaufmännern und Kauffrauen – mehr und mehr werden sie von Computern erledigt.

Noch arbeiten 590 000 Personen im kaufmännischen Bereich, knapp 15 000 junge Berufsleute begannen letztes Jahr eine KV-Lehre. So viel wie in keiner anderen beruflichen Ausbildung. Jetzt aber schlägt der Kaufmännische Verband (KV) Schweiz Alarm. «Die Digitalisierung kann für das Personal eine Entlastung bringen. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, dass gewisse Mitarbeiter nicht mehr nötig sind», sagt Verbands-Präsident und SP-Ständerat Daniel Jositsch (51) gestern vor Medien.

Verlagerungen ins Ausland

Für Ungemach sorgt nicht nur die Digitalisierung. Allein Verlagerungen ins Ausland könnten 30 000 bis 100 000 Jobs kosten, wie eine der vorgestellten Studien vorrechnet. Auf der Kippe stehen Routinejobs mit wiederholenden Tätigkeiten. Zum Beispiel Buchhalter, Controller, IT-Supporter, Callcenter-Mitarbeiter, Personalverwalter, aber auch Software-Entwickler und Programmierer.

Wenn Unternehmen diese Bereiche nach Asien auslagern, können sie laut Studie 25 Prozent der Lohnkosten senken und über 30 Prozent nach Osteuropa. Dieser Prozess sei bereits weit fortgeschritten, sagt Jositsch. Ermöglicht habe es die Digitalisierung. Sind Jobs und Wertschöpfung einmal weg, kommen sie nicht mehr zurück.

In der zweiten Studie ist gar von einem «Tsunami-Effekt» der Digitalisierung die Rede. «Man spürt jetzt deutlich, dass die Welle kommt», sagt Studienautorin Sybille Sachs (57) von der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ). Ihre Studie nennt keine Zahlen, kommt aber zu einem ähnlichen Schluss: einfache Tätigkeiten haben ausgedient.

Manager statt Sachbearbeiter

Statt Sachbearbeiter sind Vermittler und Manager gefragt. Kaufleute, die über breite Allgemeinbildung, ausgeprägtes Spezialwissen und hohe Sozialkompetenzen verfügen. Und sich ständig fortbilden. «Der KV-Beruf wird interessanter, aber auch anspruchsvoller», sagt Sachs.

Dieser Meinung ist auch Jositsch: «Abwehrkämpfe bringen nichts.» Trotz Digitalisierung sehe es gut aus für die Kaufleute. Er fordert, dass der Staat mehr in die Ausbildung investiert und Unternehmen Weiterbildungen ermöglichen. So viel ist klar: Auch etablierte Berufsleute dürfen es sich auf ihrem Bürosessel nicht mehr zu bequem einrichten.

Bilden Sie sich fort, sonst sind Sie fort

Die Digitalisierung krempelt viele Berufsfelder um. Sich dagegen zu wehren, macht jedoch keinen Sinn. Die vom Kaufmännischen Verband (KV) Schweiz in Auftrag gegebenen Studien zeigen: Die Aufgaben für verbleibende Fachkräfte werden anspruchsvoller. Wer seinen Job behalten will, muss sich ständig weiterbilden.

«Bedroht sind Personen mit einer Grund-, aber ohne Weiterbildung, die repetitive Tätigkeiten erledigen», sagt Christian Zünd (53), CEO des Kaufmännischen Verbands. Die Jungen seien aber gut aufgestellt. Doch was kann etwa ein Buchhalter tun, der schon seit Jahren gewissenhaft seinen Job erledigt – und nun von Computern ersetzt werden könnte?

«Für Berufsleute ab 45 ist es wichtig, dass sie in ihrem Bereich eine Weiterbildung angehen, die auch trotz Digitalisierung gefragt sein wird.» Zünd empfiehlt, den Chef zu fragen, wie die berufliche Perspektive aussieht. Und gemeinsam zu vereinbaren, welche Weiterbildung sinnvoll sein könnte.

Gefragt sind laut Studie etwa eine hohe Sozialkompetenz, der Umgang mit Technologien und Kunden und eine gute Allgemeinbildung im Fachgebiet. Wichtiger wird auch mehr und mehr projektbezogenes Arbeiten – der Kaufmann wird stärker zur Ich-AG.

Der Kaufmännische Verband will künftig kürzere und individuelle Kurse anbieten. Gemeinsam mit den Banken etwa einen Lehrgang für digitale Arbeits- und Lernkompetenz im Finanzbereich. Zünd hofft, künftig weitere solche Kooperationen eingehen zu können.