Krankenkassenkunden werden mit falschen Versprechen geködert

Themenbild TariflupeDer Branchenverband Santésuisse stellt eine Häufung von irreführenden Anrufen aus Callcentern fest – wie die Masche funktioniert, zeigt ein Beispiel aus Dietikon.

 

 

Limmattaler Zeitung / 02-12-2014 zum Artikel, zum Frontartikel

Am Freitagnachmittag erhielt eine Dietikerin einen irreführenden Telefonanruf: Am anderen Ende der Leitung wollte ihr ein Mann weismachen, dass er von der Stelle sei, die den Zürchern ihre zu viel bezahlten Krankenkassenbeiträge auszahle. Der Anrufer fragte nach der Wohnadresse, damit er vorbeikommen könne, um in einem persönlichen Gespräch genauer darüber zu informieren.

Die Frau wurde stutzig. Umso mehr, als der Anrufer meinte, dass seine Firma in den nächsten zwei Wochen jedem Dietiker das zustehende Geld überbringen werde. Das kann nicht sein, realisierte die Frau und wollte wissen, für wen der Anrufer arbeitet. Nach mehrmaligen Nachfragen rückte dieser schliesslich heraus: Er rufe an im Auftrag von Tariflupe .

Ein Blick auf die Website von Tariflupe zeigt: Es handelt sich dabei um ein Unternehmen, das Versicherungsberatungen anbietet. Der Anruf kam also aus einem Callcenter. Im persönlichen Gespräch hätte die Frau wohl eine unerwünschte Versicherungsberatung erhalten.

Nicht einfach zu stoppen

Beim Branchenverband der schweizerischen Krankenkassen Santésuisse kennt man das Problem der irreführenden Anrufe. In den letzten Tagen hätten sie vermehrt Rückmeldungen zu solchen Telefonaten erhalten, sagt Kommunikationsleiter Paul Rhyn. «Die Callcenter versuchen mit allen Mitteln, einen Schuh in die Tür von Kunden zu bekommen», sagt er. Manche hätten auch im Namen der Santésuisse angerufen. Allerdings sei es schwierig, obskure Callcenter zu stoppen, weil diese oft vom Ausland her operierten und sich damit dem hier geltenden Rechtssystem entzögen. Zudem sei es nicht einfach, überhaupt an diese Unternehmen heranzukommen.

Eine Kontaktaufnahme ist auch bei Tariflupe schwierig. Laut Handelsregister befindet sich der Firmensitz zwar in Zürich, doch Kontaktdetails sind nirgends zu finden; die Website von Tariflupe ist registriert auf «Callcenterpool Ltd», einen Holder auf den Seychellen. Und wählt man die Telefonnummer, mit der die Dietikerin angerufen wurde, ertönt lediglich das Besetztzeichen.

«Hätte nicht passieren dürfen»

Eine Möglichkeit, mit Tariflupe in Kontakt zu treten, besteht dennoch: Auf der Website kann man seine eigene Telefonnummer angeben, worauf die Beratungsfirma dann gratis zurückruft. Das hat die «Limmattaler Zeitung» getan: Umgehend kam ein Anruf von einer Beraterin. Diese gestand, dass die Angabe mit der Prämienrückerstattung nicht hätte passieren dürfen, sie werde den entsprechenden Mitarbeiter darauf hinweisen. Eine Stellungnahme seitens eines Vorgesetzten blieb jedoch aus.

Für die Rückerstattung der zu viel bezahlten Krankenkassenbeiträge ist denn auch keine externe Stelle zuständig, sondern allein die Krankenkassen. Eine Prämienkorrektur erfolgt, weil sich in den letzten sieben Jahren zwischen den Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und den Kosten für die medizinischen Leistungen in den Kantonen Ungleichgewichte akkumulierten. Konkret: Für den Kanton Zürich wird eine Summe von rund 460000 Franken erstattet, wohingegen etwa im Kanton Bern rund 650000 Franken nachbezahlt werden müssen. Die Krankenkassen haben laut Daniel Dauwalder, Sprecher vom Bundesamt für Gesundheit, zwei Möglichkeiten, wie sie das Geld ihren Kunden im Kanton Zürich zurückzahlen: Einerseits könnten sie im nächsten Jahr den Betrag von der Juniprämie abziehen, andererseits könnten sie ihn auch direkt aufs Bank- oder Postkonto überweisen.

Um die perfiden Maschen von Callcentern künftig zu unterbinden, will die Santésuisse darauf hinwirken, dass das Gesetz zu unlauterem Wettbewerb verschärft wird. Damit würde eine Kaltakquise, also die unerwünschten Anrufe von Callcentern, künftig verboten.

 

Nachgefragt:

«Da liegt offensichtlich eine Täuschung vor»

Herr Bähler*, wie bewerten Sie den Fall, bei dem eine Frau unter dem Vorwand einer Prämienrückerstattung angerufen wurde?

André Bähler: Da liegt offensichtlich eine Täuschung vor. In diesem Fall ist sie besonders perfid: Wenn man sich als offizielle Stelle ausgibt, wirkt das vertrauenserweckend, und wenn der Angerufene dabei noch etwas erhalten soll, wirkt das auch noch verlockend. Die Masche ist ziemlich raffiniert.

Wie soll man sich bei einem solchen Anruf verhalten?

In erster Linie sollte man skeptisch sein. Offizielle Stellen rufen in der Regel nicht an. Also sollte der Angerufene nach dem Namen der Stelle und des Anrufers fragen und dann das Gespräch beenden. Wenn etwa jemand vorgibt, im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) anzurufen, kann man sich anschliessend direkt bei der offiziellen Stelle des BAG melden. Alternativ kann man die Telefonnummer googeln und so überprüfen, ob im Internet bereits vor dieser Masche gewarnt wird.

Und wie können sich die Leute schützen gegen solche Anrufe?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Einerseits gibt es Geräte, die Werbeanrufe herausfiltern und unerwünschte Nummern sperren können, andererseits kann man im Telefonbuch einen sogenannten Sterneintrag machen lassen. Damit wird angezeigt, dass Werbeanrufe unerwünscht sind. Firmen, die dennoch anrufen, machen sich in der Regel strafbar.

*André Bähler ist Leiter Politik und Wirtschaft bei der Stiftung für Konsumentenschutz