Das sind die Zukunftspläne der SBB: Wird Zugfahren immer teurer, Herr Meyer?

IMG_3183Gespräch mit SBB-Chef Andreas Meyer über Probleme und Zukunft der Bahn: Warum gibts immer noch kein WiFi im Zug? Wie lange braucht es das SwissPass-Kärtli noch?

Blick.ch / 18-03-2016

Herr   Meyer, zu Stosszeiten sind viele Züge überfüllt. Wie lösen Sie das Platzproblem?

Andreas Meyer: Dazu muss ich vorweg sagen: Die Zufriedenheit der Kunden ist gestiegen. So auch die Zufriedenheit beim Platzangebot. Wir haben mehr Züge eingeführt, die Zahl der Sitzplätze ist angestiegen. Auch dank der SBB-Mobil-App sieht man, welche Züge voll sind. Unser Ziel ist es, Kunden auch auf wenig ausgelastete Züge zu lenken. Mit den Sparbilletten ist es uns gelungen, Leute zu motivieren, nicht mehr in der Hauptverkehrszeit zu reisen.

Man muss also nicht Angst um einen Platz haben, wenn noch mehr Passagiere dazukommen?

Wir arbeiten daran. Obwohl wir nun 1,2 Millionen Kunden pro Tag befördern, ist ja die Zufriedenheit gestiegen – weil wir auch mehr Züge einsetzen und damit das Sitzplatzangebot weiter gestiegen ist.

Viele Kunden nervt die automatische Verlängerung beim SwissPass.

Im Gegenteil: Viele Kunden wünschten ja, dass sich das Abonnement automatisch verlängert. Es sind nur wenige, die sich darüber ärgern. Früher tappten viele Kunden in die Verlängerungsfalle – plötzlich war ihr Abo nicht mehr gültig.

Ein anderer Punkt: Die SBB sammelt mit dem SwissPass immer  mehr Daten. Warum?

Wenn ich die einzelnen Daten aus dem SwissPass mit den Datenbergen von Swisscom oder Google vergleiche, ist das im Verhältnis wie eine Ameise zum Matterhorn. Ausserdem sind wir auf Kundendaten angewiesen, wenn wir Angebote weiterentwickeln wollen. Nur so sind künftig massgeschneiderte Angebote möglich. Aber: Wir verwenden Daten nur mit Erlaubnis der Kunden. Und wir veräussern sie nicht. Das Vertrauen der Kunden ist für uns ein hohes Gut.

Wieso kann man das SBB-Billett nicht auf den SwissPass laden?

Das ist im Moment noch so. Wir wollen den SwissPass digitalisieren. Das sollte uns 2017 gelingen. Die Doppelspurigkeiten sollen so wegfallen.

Auch bei Hunde-GA und Juniorpass?

Wir machen nun eines nach dem anderen. Aktuell sind bereits 1,2 Millionen SwissPässe im Umlauf, und wir konzentrieren uns auf das GA und Halbtax. Die Angebote werden nun Schritt für Schritt eingeführt.

Wird das GA einst wegfallen, sodass man nicht mehr uneingeschränkte Fahrten zugut hat?

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass der SwissPass eine generelle Mobilitätskarte wird – auch für Einzelbillette. Damit hätten wir GA-Komfort für alle und natürlich auch Preisdifferenzierungen.

Sie weichen aus. Ist das GA ein Auslaufmodell?

Wir arbeiten am GA-Komfort für alle. Die Rundum-Sorglos-Mobilität bei den SBB wird es weiterhin geben.

Wenn 2017 die SwissPass-App kommt, wird das Kärtli überflüssig?

Selbstverständlich soll die digitale Version den besseren Komfort als die Karte bringen. Was aber alles auf den digitalen SwissPass kommt und in welchen Schritten, darüber wollen wir jetzt noch nicht spekulieren.

Wieso braucht es überhaupt noch Billetts? Wann wird einem der Fahrpreis direkt beim Ein- und Aussteigen verrechnet?

Genau hier sind wir wieder bei der Frage des Datenschutzes. Wenn die gesetzlichen Grundlagen vorhanden sind, können wir dies auch technisch lösen. Der SwissPass ist ausbaufähig.

Digital bauen Sie aus, beim Service ab! Weshalb schliessen Sie Schalter und streichen   die Minibar-Wägeli?

Es gibt keinen Service-Abbau! Vielmehr passen wir dort unsere Leistungen an, wo sie von Kunden nicht mehr genutzt werden. Nehmen Sie Reisebüros: Wir haben wegen des Internets schlicht nicht mehr genug Reisen verkauft. Nehmen Sie die Minibar-Wägeli: Da schreiben wir im letzten Jahr 14 Millionen Franken Verlust. Die Kunden nehmen ihre Verpflegung mit in den Zug. Und die armen Mitarbeiter wuchten das schwere Wägeli durch die 2.   Klasse und verkaufen fast nichts.

Im Dezember wollen Sie die Preise um drei Prozent erhöhen. Warum?

Aus zwei Gründen. Erstens sind die Gebühren für Gleise vom Bund um 100 Millionen erhöht worden. Zweitens fordern auch Bund und Kantone für den Regionalverkehr Preiserhöhungen. Weil sie sonst den von ihnen bestellten öffentlichen Verkehr nicht zahlen könnten.

Wird Zugfahren immer teurer?

Nicht unbedingt. Klar ist: So kann es aus Sicht der SBB nicht weitergehen. Ich versuche den Paradigmenwechsel herbeizuführen. Also, dass wir wegkommen von immer grösseren Erhöhungen – damit die Eisenbahn für Kunden in einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis bleibt. Wir wollen den ÖV attraktiv halten.

Apropos attraktiv, warum gibt es noch immer kein WiFi im Zug?

Wir setzen auf das Mobilfunknetz mit einem dichten Antennennetz und modernen Signalverstärkern im Zug. Die meisten Kunden haben ein Smartphone mit Flatrate. In den Bahnhöfen setzen wir auf WiFi.

WiFi kommt also nicht?

Nein, viel wichtiger ist wegen der vielen Flatrate-Mobilfunkabos die Datenübertragung mit Signalverstärkern. Da nehmen wir europaweit einen Spitzenplatz ein. Das zeigen unabhängige Studien.

Was sagen Sie zu den fehlenden Pausenräumen der Cargo-Mitarbeiter?

Da machen Sie aus einer Mücke einen Elefanten. Wir stehen in regelmässigem Informationsaustausch mit den Sozialpartnern. Ich gehe momentan davon aus, dass dies Einzelfälle sind. Und diese werden korrigiert.

Im Juni eröffnen Sie den neuen Gotthardtunnel. Was ist geplant?

Die offizielle Einweihung findet am 1. Juni statt. Zudem ist ein grosser Publikumsanlass am 4. und 5. Juni geplant. Wir zeigen sowohl am Nord- wie auch am   Südportal, wie der Tunnel gebaut worden ist und Mobilität der Zukunft aussieht. Wer rechtzeitig ein Ticket kauft, wird auch da ein erstes Mal durch den 57 Kilometer langen Tunnel brausen können.

Nach Abschluss des grossen Projekts, treten Sie dann zurück?

Ich habe das Projekt ja nicht begonnen. Bin jetzt aber bei der Eröffnung als CEO mit dabei. Ich habe mich gut in den Job eingelebt und fühle mich mittlerweile so wohl wie ein Fisch im Wasser. Die Herausforderungen der Eisenbahn, in der digitalen Welt zu bestehen, die sind so gross. Diese packe ich mit viel Freude und Energie mit einer tollen Equipe an.

Dann treten Sie also nicht zurück in nächster Zeit?

Sicher nicht.