«Es rächt sich sofort, wenn man die Entwicklung verpasst»

Marcel DoblerEr gründete den Onlinehändler Digitec und politisiert seit einem Jahr für die St. Galler FDP im Nationalrat – quasi als Mister Digital. Marcel Dobler sitzt im Journalistenzimmer des Bundeshauses, hat den Laptop aufgeklappt und verfolgt auf dem iPhone die Session. 10-12-16 erschienen im Blick

Herr Dobler, sind die Leute zu oft online und dadurch dauergestresst?

Marcel Dobler: Jeder muss selber entscheiden, ob er die ganze Zeit aufs Smartphone starren und seine Nachrichten checken will.

Ihr Nationalratskollege Corrado Pardini fordert eine internetfreie Zeit, um die Arbeitnehmer zu schützen. Was halten Sie davon?

Pardini will anscheinend zurück in die Vergangenheit. Er sollte zur Kenntnis nehmen, dass die Dinosaurier ausgestorben sind. Wahrscheinlich nimmt er aber seine Forderung nicht einmal selber allzu ernst.

Sie werden Präsident des Informatikverbandes ICT Switzerland und treten damit in die Fussstapfen Ihres Parteikollegen Ruedi Noser. Sind diese nicht zu gross?

Ich hoffe für Ruedi Noser, dass er keine grösseren Füsse hat als ich. Aber ich bin mit der IT aufgewachsen, habe den grössten Onlineshop der Schweiz aufgebaut und 500 Arbeitsplätze geschaffen. Ich bin motiviert, mich für die positive Entwicklung der Schweiz und der Branche einzusetzen.

Ist Ihnen die Politik nicht zu lahm?

Ich sage immer: Wenn etwas schnell gehen muss, darf es nicht nach Bern. Allerdings ist es wichtig, dass sich Unternehmer im Parlament engagieren. Gerade in Bezug auf die Digitalisierung. Von den 200 Nationalräten hat nur eine Handvoll einen IT-Background.

Welche?

Spontan in den Sinn kommen mir neben Ruedi Noser auch Balthasar Glättli von den Grünen, Jacqueline Badran von der SP und Franz Grüter und Mauro Tuena von der SVP.

Das Durchschnittsalter liegt im Parlament bei über 50 Jahren. Jene, die bestimmen, haben keine Ahnung von der Digitalisierung.

Momentan findet ein Wandel statt. Viele Parteien greifen das Thema auf, auch der Bundesrat ist ziemlich initiativ. Digitalisierung ist unsere Zukunft und das Thema schlechthin.

Bundespräsident Johann Schneider-Ammann sagte, die Schweiz habe die erste Halbzeit der Digitalisierung verloren. Was, wenn wir auch die zweite verlieren?

Die Schweiz ist ein innovatives Land. Aber nichts ist so schnell weg wie ein Vorsprung. Wenn wir in der Bildung nichts tun, wenn wir keine Anreize für neue Firmen schaffen, dann werden Arbeitsplätze abwandern.

Experten rechnen damit, dass die Digitalisierung die Hälfte aller Jobs vernichtet.

Ich glaube im Gegenteil fest daran, dass neue Jobs entstehen. Ich sah das ja bei Digitec. Da gab es eine Verlagerung vom stationären Geschäft zum Onlinehandel. Im Detailhandel sind Arbeitsplätze verloren gegangen. Dafür haben wir in Logistik, Vertrieb und Backoffice neue geschaffen.

Aber was ist mit Leuten, die ihren Job verlieren und keine Digital-Kompetenzen haben?

Eine Architektin sagte mir, dass sie nur junge Leute einstelle – weil diese 3D-Planungen beherrschen würden. Wir müssen auch die Älteren mit der digitalen Welt vertraut machen und Möglichkeiten für Weiterbildungen schaffen.

Weshalb sollte sich ein Arbeiter oder ein ländliches KMU für die Digitalisierung interessieren?

Firmen werden dank der Digitalisierung effizienter. Wer sich dem widersetzt, wird irgendwann nicht mehr konkurrenzfähig sein.

Hoteliers klagen über Booking.com, Taxifahrer über Uber.

Das spiegelt das Versagen der Branchen und deren Verbände. Wieso haben es weder die Taxinoch die Hotelbranche geschafft, eine Schweizer Lösung zu entwickeln? Heute rächt es sich sofort, wenn man die Entwicklung verpasst.

Uns fehlen Visionäre im Format eines Steve Jobs oder Elon Musk.

Wir brauchen mehr Vordenker wie Nick Hayek. Leute, die sich etwas zu sagen trauen. Auch wenn es nicht immer realisierbar ist, sie bringen einen auf neue Ideen.

Inwiefern haben Sie das mit Digitec geschafft?

Wir hatten das Glück, dass in unserem Bereich alle Grossen die Digitalisierung verschlafen haben. Media Markt, Interdiscount, Melectronics – sie alle sind nun, 15 Jahre später, sehr engagiert und haben sich Firmen zugekauft.

Sie konnten Digitec mit Ihren beiden Mitstreitern für einen zweistelligen Millionenbetrag an die Migros verkaufen. Sie könnten das Leben geniessen.

Ehrgeizige Leute wollen immer etwas Neues erreichen. Ich wäre unglücklich, wenn ich auf der faulen Haut läge. Als ich die Aktien verkaufte, habe ich mir gesagt: Entweder baue ich mir etwas Neues auf, oder ich versuche, in die Politik zu kommen.

Als Bobfahrer sind Sie ja auch noch Spitzensportler.

Ich mache das jetzt noch ein Jahr. Mein Ziel ist es, bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang in Südkorea dabei zu sein. Damit würde ein Traum in Erfüllung gehen.

Wie kriegen Sie Spitzensport und Politik unter einen Hut?

Ich habe schon immer viel Sport gemacht. Ich trainiere fast je Nachmittag oder Abend – dann kann ich mich besser verausgaben als am Morgen.