Im Kampf gegen die Tauben-Invasion

TaubenWährend 18 Jahren kämpfte eine Aarauerin gegen Tauben. 20’000 Franken gab sie dafür aus. Nun hat sie endlich gewonnen.

Aargauer Zeitung / 2-6-2014 SMDMediaLink[1]

Sie vermehren sich schnell. Sie nisten, wo immer sie können. Sie koten überall hin. Kiloweise. Ihr Gurren ertönt tagein, tagaus. Tauben verärgern Bewohner und Ladenbesitzer der Altstadt. Entlang vieler Dachrinnen ziehen sich Verdrahtungen, auf Fenstersimsen ragen spitze Taubenabwehre empor. Im Café der Buchhandlung Thalia sagt eine Mitarbeiterin: «Zumindest die Sonnenschirme schützen vor dem herunterfallenden Dreck. Trotzdem müssen wir manchmal den Kaffee von verärgerten Kunden austauschen.» Beim Interdiscount befindet sich seit letztem Jahr ein Netz zur Abwehr. Ein weiteres spannt sich über den Balkon beim McDonald’s-Gebäude.

Dennoch: Vertreiben lassen sie sich nicht. Charlotte Hunziker kämpft schon seit 18 Jahren gegen die Tauben. Ihr gehört eine Liegenschaft am Rain – ein Gebäude aus dem 17. Jahrhundert, das noch einen Ehgraben besitzt. Die Lücke zwischen den Häuserzeilen, wo früher Fäkalien entsorgt wurden, ist ein idealer Nistplatz für die Tiere. Dreissig Stück zählte sie vor einem Jahr.

Nun sind die Tauben weg. Sie hat einen langen Kampf geführt – und gewonnen.   Letzten Monat liess sie gemeinsam mit dem Nachbarn ein Netz über den gesamten Ehgraben befestigen. Das Ende vieler zermürbender Versuche, um gegen die Stadtvögel anzukommen. Fast 20000 Franken hat sie dafür über all die Jahre investiert. Von der Stadt fühlte sie sich lange im Stich gelassen.

Bis zur Verzweiflung

Der Ärger begann 1996. Damals übernahm Charlotte Hunziker die Liegenschaft von ihren Eltern. Das Taubenproblem wollte sie sofort angehen: Sie schrieb an die Stadt, an den Tierschutz, an eine Beratungsstelle. Erfolglos. Die Terrasse sei innerhalb eines Tages voller Taubendreck gewesen, sagt Hunziker. Und: «Bei Regen hat der Ehgraben fürchterlich gestunken.» Ihre Mieter ärgerten sich über das ständige Gurren und den hygienisch bedenklichen Zustand.

Hunziker ging über auf Angriff: Sie liess Drahtspitzen auf Abwasserleitungen und Dachrinnen anbringen, die Küchenfenster zum Ehgraben vergittern, sanierte das Ziegeldach des Toiletten-Vorbaus. «Sechs Schubkarren voller Taubendreck mussten die Arbeiter dabei entsorgen.» Erneut wandte sie sich an die Stadt. Die Antwort: Tauben gehören zum Stadtbild, sie solle sich an den Jagdaufseher wenden. Das war 2009.

Der Jagdaufseher kam und gab ihr Recht: Die Situation sei unhaltbar, habe er gesagt.   Nun reagierte auch die Stadt, welcher die Parzelle des Ehgrabens gehört. Sie befestigte einen Taubenschlag. Die Arbeiter des Werkhofs trugen alle zwei Wochen kübelweise Taubendreck heraus. Ab und an stach Hunziker die Eier. Rausnehmen dürfe man sie nicht, sonst legten sie sofort neue. Inzwischen kannte sie sich aus mit Tauben wie ein Jäger mit Wild. Aber: Der Taubenschlag sei nicht konsequent unterhalten worden.

Marcel Acklin vom Werkhof sagt: «Wir haben ihn demontiert, weil er nicht funktioniert hat.» Der Graben sei zu eng dafür gewesen. Hunziker war nun nahe der Verzweiflung. Doch aufgeben wollte sie nicht.

Kranke Tiere aussortieren

Was unternimmt die Stadt gegen die Tauben? «Wir schauen, dass die Population nicht zunimmt», sagt André Liniger vom Stadtbauamt. Momentan hätten sie keine Reklamationen, dass es zu viele gäbe. Die Stadt aber weise immer wieder darauf hin: Tauben dürfen nicht gefüttert werden. Genug zu fressen hätten sie ohnehin.

Darauf sei mit öffentlichen Aktionen öfters aufmerksam gemacht worden, sagt Carmen Hitz von der Umweltstelle.  Sie sehe ein, dass die Tauben für viele mühsam seien. Doch machen könne man nicht allzu viel. Beim Kasinopark etwa unterhalte die Stadt einen Taubenschlag. Dort würden von Zeit zu Zeit, in Zusammenarbeit mit Fachleuten vom Wildpark Roggenhausen, alte und kranke Tiere aussortiert und getötet. Zudem reinige die Stadt öffentliche Plätze vom Kot und vermittle betroffene Hausbesitzer an Firmen für Schädlingsbekämpfung.

Ein letztes Aufbäumen

Auf eine solche Firma setzte Charlotte Hunziker ihre letzte Hoffnung. Die Ratex AG hatte inzwischen eine neue Methode in petto: Sie installierte im Ehgraben ein spezielles Schalldrucksystem. Schallwellen kitzeln die Tauben so sehr, dass diese sich unwohl fühlen und wegfliegen. Die IBA montierte eigens dafür einen Stromanschluss im Graben. Vergebens. Der Graben war zu eng, die Schallwellen konnten sich nicht richtig ausbreiten. So verpuffte auch dieser Versuch.

Wieder schrieb sie der Stadt. Die Antwort diesmal: Ihre Mieter sollen die Tauben nicht füttern. Nun wurde Hunziker allmählich wütend, litten doch ihre Mieter ebenso unter den Tauben.   Dann wechselte 2011 der Besitzer des Nachbarhauses. Endlich erhielt sie Schützenhilfe. Gemeinsam mit dem neuen Nachbarn liess sie die Fassaden im Ehgraben sanieren, wodurch auch die kantonale Denkmalpflege ins Spiel kam.

In Absprache mit ihr liessen sie den Graben komplett mit einem Netz abdecken. Seither hat Hunziker Ruhe. Auch die Nachbarn. Und: Die Stadt übernimmt einen Teil der teuren Installation. Für Hunziker ein Zeichen der Versöhnung. Endlich fühle sie sich ernst genommen mit ihrem Anliegen.