Plötzlich sind Schanzen verboten

motocrossDer Kanton Aargau hat das Baugesuch für das traditionelle Motocrossrennen in Schmiedrued-Walde abgelehnt. Bisher brauchte es keines, doch die Beschwerde einer Privatperson führte dazu.

 

 

Zofinger Tagblatt / 16-08-2014 zum Artikel, zum Kommentar

Das lizenzfreie Motocrossrennen in Schmiedrued hat Tradition: Seit 29 Jahren rattern an einem Wochenende im August die Motoren, seit 15 Jahren findet der Anlass auf der Nütziweid statt – für Schmiedrued ein Volksfest. Viele Zuschauer kommen nicht nur für den offiziellen Wettkampf, sondern wegen des Plauschrennens, bei dem die Teilnehmer ein eigenes Gefährt bauen: etwa eine Schubkarre mit Motor, eine fahrende Badewanne oder einen motorisierten Einkaufswagen. Probleme gab es nie, bis jetzt.

Nun hat der Kanton das Baubewilligungsgesuch des Moto Clubs Ruedertal abgelehnt. Der Grund: Die Nütziweid befindet sich einerseits in der Landwirtschaftszone und andererseits in der Landschaftsschutzzone. In der Schutzzone seien Erdverschiebungen problematisch, sagt Benno Schmid, Leiter Kommunikation des Baudepartements. Am Gelände darf somit nichts verändert werden – keine gebauten Hügel, keine Kurven, keine Schanzen .

Kanton musste über die Bücher

Wieso aber muss der Moto Club plötzlich ein Baugesuch stellen, wenn es all die Jahre auch ohne ging? Gemäss Felicitas Siebert, Leiterin der Abteilung Baubewilligung, habe der Kanton nie interveniert, weil man davon ausgegangen sei, dass das Rennen keine Baubewilligung erfordere. Schliesslich seien die Erdverschiebungen nur temporär. Aber dann hat das Departement für Volkswirtschaft und Inneres (DVI) festgestellt, dass es für das Rennen in Schmiedrued eben doch eine Bewilligung braucht.

Auf diese Erkenntnis kam der Rechtsdienst aufgrund einer Einsprache: 2013 reichte eine Privatperson eine Beschwerde ein gegen das Rennen. Der Beschwerdeführer fragte, ob der Moto Club nicht ein Gesuch stellen muss. Das Baudepartement kam daraufhin, gestützt auf das Bau- und Raumplanungsgesetz, zum Schluss, dass eine Baubewilligung nötig ist. Und diese wurde dem Moto Club nun verwehrt. Dennoch: Das Rennen vom 23. und 24. August wollen sie durchführen.

Einsprache aus anderem Dorf

Die Einsprecherin wohnt nicht in Schmiedrued, besitzt aber eine Liegenschaft nahe der Rennstrecke. Sie finde, dass ein Rennen nicht in einer Landschaftsschutzzone stattfinden soll, sagt sie auf Anfrage. Das sei ein Vorwand, meint ein Schmiedrueder. Er wisse: Die Einsprecherin wolle ihre Liegenschaft verkaufen. Sie befürchte, dass diese aufgrund des Rennens an Wert verlieren könnte.

Im Dorf hat die gesamte Angelegenheit für Diskussionen gesorgt. Dazu Stellung nehmen will indes niemand: weder die Einsprecherin noch der Moto Club noch die Gemeinde. «Ein heikles Thema», meint Marlise Loosli, Gemeindeammann von Schmiedrued-Walde. Die Gemeinde aber unterstütze das Rennen und der Gemeinderat hoffe, dass auch in den nächsten Jahren die Bewilligung erteilt werden könne.

Piste wird dieses Jahr flacher

Das Problem liegt also nicht auf kommunaler, sondern auf kantonaler Ebene. In Schmiedrued freut man sich trotzdem auf die Veranstaltung: «Das Rennen liegt uns allen am Herzen», sagt René Maurer, Präsident des Moto Clubs. Allerdings verstehe er nicht, dass sie nichts bauen dürfen, wenn 250 Meter weiter ein Windpark entstehen soll. «Weil wir keine Schanzen bauen dürfen, müssen wir die Strecke halt so abstecken, dass das Gelände optimal genutzt wird.» Dank der Bodenwellen entstünden zwei, drei kleine Sprünge. Trotzdem: Die Piste wird dieses Jahr flacher.

In welcher Form im nächsten Jahr das Rennen durchgeführt werden kann, ist noch offen. Der Moto Club hat sich gegen den Entscheid des Kantons gewehrt und eine Einsprache deponiert.

Das sei noch ein laufendes Verfahren, sagt Benno Schmid vom kantonalen Baudepartement. Wann ein Entscheid falle, wisse er nicht. Entscheiden müsse nun der Regierungsrat.

 

Der Kommentar:

Das Netz an Regeln verdichtet sich

Das Motocrossrennen bereichert Schmiedrued seit bald 30 Jahren. Sowohl die Bevölkerung als auch die Gemeinde unterstützen den Anlass. Seit 15 Jahren pilgern Gross und Klein während eines Wochenendes auf die Nütziweid. Gestört hatte das niemanden – bis es zum Knatsch zwischen dem Moto Club Ruedertal und einer Privatperson kam, und diese beim Kanton eine Beschwerde deponierte.

Der Moto Club hatte in zweifacher Hinsicht Pech: erstens, weil sich die Einsprecherin berufsbedingt bestens mit Reglementen und Gesetzen auskennt, zweitens, weil sich das Renngelände in einer Landschaftsschutzzone befindet.

Der Kanton musste der Privatperson Recht geben.

Für alles Mögliche braucht es heute eine Bewilligung. Selbst beim kleinsten Anlass begibt sich der Organisator auf Glatteis. Das Netz an Gesetzen, Reglementen und Richtlinien wird immer dichter. Es gibt kaum noch Spielraum, um etwas unbürokratisch über die Bühne zu bringen. Selbst traditionelle Anlässe wie das Rennen werden gefährdet.

Je mehr Gesetze es gibt, umso mehr kann derjenige allen anderen auf der Nase herumtanzen, der sich im Paragrafendschungel am besten auskennt. Im Fall des Rennens ist es bedauerlich, wären doch die temporären Eingriffe in die Natur marginal gewesen.

Vielleicht hat der Entscheid des Kantons auch sein Gutes: So mancher Plausch-Rennfahrer wird wohl nicht unglücklich sein, wenn es keine grösseren Sprünge mehr gibt.